Das Akkordeon ist eine gute Entscheidung, wenn man ein Musikinstrument erlernen möchte.

Warum, das möchte ich hier kurz darlegen und Anregung für den eigenen Entscheidungsprozess geben.

Kurzer Ausblick in die Historie

Das Accordion ist Anfang des 19ten Jahrhundert erfunden worden. Sehr bald fand es seinen Einsatz in der Popularmusik. Zur Zeit seiner Erfindung war der Begriff Popularmusik noch mit keinem gefügten Genre verbunden. Vielmehr unterschied man in Kunstmusik – heute verwenden wir gerne und plakativ das Wort Klassik – und Musik, die nicht zu diesem Bereich gehörte, Volks- und Popularmusik genannt. Die Kunstmusik war meist an teure Instrumente gebunden, die nur einem kleineren Teil der Bevölkerung zur Verfügung standen. Dies galt besonders für das Klavier.

Das Akkordeon viel, wegen seinem damals verhältnismäßig günstigem Preis, auf fruchtbaren Boden und verbreitete sich sehr bald über die ganze Welt. Auch die Tatsache, dass es leicht zu transportieren war und über fertige, programmierte Akkorde – daher auch der Name des Patents, Accordion, verfügte, trug dazu bei.

Die Gattung der Accordion-Instrumente und das Akkordeon

Zwei Gattungen von Instrumenten sind im Accordion vereint. Es ist einerseits ein Handzuginstrument, da es einen Balg zur Spielwinderzeugung hat, andereseits gehört es zur Gattung der Harmonika-Instrumente, deren Ton durch freischwingende starre Zungen, die von einem Spielwind angeregt werden, erzeugt wird. Beim Accordion sind dieses aus Metall.

Wir kennen verschiedene Bauformen, wie diatonische Harmonicas, Concertinas, Bandoneon aber vor allem die chromatischen Instrumente, die heute in Deutschland unter dem Begriff Akkordeon zusammengefasst werden. Das Akkordeon gibt es mit einer am Klavier angelehnten Tastatur oder mit einer Knopfgrifftastatur, das im osteuropäischen Raum auch unter dem Begriff Bayan bekannt ist. Leider haben sich bei den Knopfgrifftastaturen, zwei Systeme ausgebildet, die jeweils eine andere Spieltechnik bedingen, der C- und der B-Griff.

Die Bass-Tastatur der Erfolgsfaktor des Akkordeons

Gemeinsam ist den beiden Akkordeontypen die Bassseite, in dem vorprogrammierte Akkorde und Begleitbässe so angeordnet sind, dass man mit vergleichsweise wenig Aufwand in der linken Hand eine kleine Begleitband mit Bassist und Rhythmus-Gruppe bedienen kann. Dieses Bass-Manual wird auch Stradella-Bass genannt.
In der rechten Hand lassen sich dann die Melodie und weiter Harmonieelemente dazu spielen. Damit sind Akkordeonspielende (Akkordionista) in der Lage, ggf. ergänzt um Gesang, in sehr minimaler Besetzung Musik aller Art darzubieten.

Da bei der Erfindung der Accordions die menschliche Stimme und damit das Stimmorgan technisch nach gebildet werden sollte, verfügen das Instrument über einen Balg, so wie der Mensch eine Lunge besitzt. Der Balg erzeugt den Spielwind und zusammen mit den Stimmen genannten freischwingenden Metallzungen – ja, die sollen die Stimmbänder in unserem Kehlkopf nachstellen – die Töne.
Ob man Akkordionista gerne zuhört oder ihr Spiel eher abstößt oder sogar verschreckt, ist ganz und gar ihrer Fertigkeit zu verdanken den Balg gut zu bedienen. Daher ist der Satz, der Balg ist die Seele des Instrumentes, nicht nur eine leere Redewendung.

Das Akkordeon heute

Moderne Akkordeons lassen den Acordionista hinsichtlich Klang, Tonansprache, Artikulation, Dynamik aber auch Präzision der Mechanik, kaum noch Wünsche offen. Mit Hilfe von Melodiebasssystemen, wie MIII, ein zusätzliches Bass-Manual oder dem Converter, hier wird das bestehende Bassmanual (Stradella) umgeschaltet, ist das Instrument mittlerweile auch im Kunstmusikbereich nicht mehr wegzudenken.
Der deutsche Musikpreis wird jedes Jahr auch für das Instrument Akkordeon vergeben. Ebenso gingen bereits einige Klassik Echos an unsere Zunft.

An dem Schaffen vieler, auch ich versuche hier meinen bescheidenen Beitrag zu leisten, kann man hören, dass auch Genres wie Jazz, Rock, Pop oder Latin mit dem Instrument geprägt und vollwertig bedient werden können.

Wen das noch nicht überzeugt

Wenn man das Instrument erlernt, wird man im Prinzip darin geschult, mit der linken sowie der rechten Hand die unterschiedlichen Tasten (Töne der Musik) zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu steuern. Parallel wird mit dem linken Arm der Balg geführt, der alleine für die Lautstärke, An- und Abklingverhalten von Tönen (Dynamik der gespielten Musik) verantwortlich ist. Darüber hinaus gilt es noch sowohl in der linken als auch rechten Hand die sogenannte Fingerphrasierung anzuwenden.
Das Spiel nach Noten, beansprucht neben dem Hörsinn auch noch den Sehsinn.
Spielt man Stücke auswendig trainiert man das Langzeitgedächnis.

Dies alles führt nachweislich zu einer sehr guten Vernetzung der linken mit der rechten Gehirnhälfte, der Vernetzung der Sinne und einer signifikanten Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit.

Ich darf Anmerken, dass ich schon kleine Akkordionista hatte, die zu Beginn kaum in der Lage waren, sich zwei Takte lang auf erste Spielstücke zu konzentrieren. Binnen eines Jahre zeigten sich Veränderung im Spiel, aber auch der allgemeinen Konzentrationsfähigkeit, über die dann auch die Eltern oft erstaunt waren.

Kann ich statt Akkordeon auch Diatonische Harmonika (Steirische oder auch Ziach) lernen

Selbstverständlich !
Aber …

… nicht in jedem Fall und nicht ohne darüber nachgedacht zu haben.

Gleich vorweg ich mag das Instrument und besitze selber eines. Es ist aus der alpenländischen (bairischen) Volksmusik nicht wegzudenken. Auch habe ich und hatte ich immer eine handvoll Schüler die die Ziach bei mir erlernen.

Aus pädagogischer Sicht lehne ich es heute aber ab, das Instrument Menschen unter 18 Jahren als einziges und erstes Musikinstrument beizubringen.
Ich weiß, dass die Harmonika auf Kinder oft eine hohe Faszination und Anziehung ausübt. Vorbilder wie Hubert von Goisern oder Herbert Pixner haben einen wichtigen und wertvollen Beitrag geleistet das Instrument populär zu machen. Die druckvollen und tiefen Helikonbässe haben einfach ihren Zauber.

Ein junger Mensch sollte das Instrument aber definitiv nur als Zweitinstrument erlernen, da es nicht abzusehen ist, wo sich seine musikalischen Neigungen hin entwickeln werden. Die diatonische Harmonika bringt nämlich leider ein paar Einschränkung hinsichtlich der mit ihr spielbaren Genres und Musikstile mit sich.

Hier findet sich ein Link auf eine Schautafel die ein 120-bässiges Akkordeon mit einer 4-reihigen-Standardharmonika mit 16-Bass-Knöpfen vergleicht.

Auch Menschen die selbst kein Musikinstrument spielen sollten nach Betrachtung der Schautafel verstanden haben, dass das Fehlen der dort gezeigten Töne klare Einschränkungen der musikalischen Möglichkeiten mit sich bringt.

Eine solche Vorentscheidung für Kinder zu treffen steht uns Erwachsenen, auch als Eltern, meiner Meinung nach nicht zu. Ein junger Mensch, der seine musikalische Entwicklung noch nicht vorhersehen kann, sollte, wenn er dann schon ein Instrument erlernt, ein chromatisches wählen, auf dem alle Tönen des westeuropäischen Tonraums verfügbar sind. Das gilt u.A. für das Klavier, für die meisten Blasinstrumente, für Saiteninstrumente und natürlich auch für die chromatischen Akkordeons. 

Warum sehe ich das so?

In den letzten Jahren bin ich einige Male auf Veranstaltungen gewesen, wo ich auch mein Instrument einem Publikum vorstellen durfte. Da waren vereinzelte Zuhörer, erwachsene Spieler, dabei, die mir ihr Leid klagten, zwar gut Steirische spielen zu können, aber frustriert waren nicht mal zwischendurch auch einen Piazzolla-Titel oder einen Swing-Titel aus dem Great American Songbook spielen zu können.

Warum eine solche späte Erkenntnis und warum war dieser Wunsch nicht schon früher vorhanden?

Gefühl für Rhythmik, Hören von Intonation und Erkennen harmonischer Zusammenhänge muss man oft erst erlernen. Umgekehrt beeinflusst uns dann dieser Lernprozess wieder und der musikalische Teil unseres Gehirns verändert sich beständig mit den Lernprozessen – Stichwort: neuronale Plastizität. Geschmack ist daher nichts statisches, er wandelt sich viel mehr mit den hinzukommenden Fähigkeiten. Der fortschreitende Lernprozess beim Instrumentalunterricht kann die musikalische Weltsicht unerwartet erweitern. Dies haben die meisten Musizierenden so für sich erfahren.

Wirklich getroffen hat mich aber der nachdenkliche Satz eines früheren Schülers, der bei mir als Kind vor vielen Jahre seinen ersten Ziach-Unterricht hatte. Heute ist er erwachsen und er beherrscht sein einzig erlerntes Instrument, die Steirische Harmonika, meisterlich. Er meinte unlängst, wir hätten damals doch auf Dich hören sollen, ich könnte heute Akkordeon spielen und damit musikalisch auch mal was anderes machen.

Erwachsene, die das alles verstanden und in ihren Entscheidungsprozess einbezogen haben, bevor sie die Diatonische Harmonika für sich als einziges Musikinstrument erwählen, haben sicher die richtige und eine für sie gute Wahl getroffen.